Matomo

Bewertung: 5/5 Sterne

Filmkritik Das Waisenhaus

Achtung: ein Horrorfilm-Juwel!

Inspiriert von Horrorfilmen aus den 1960er, 70er und 80er Jahren wie „Rosemary’s Baby“, „Das Omen“ oder „Poltergeist“, gelang dem spanischen Regisseur J. A. Bayona mit seinem Regiedebüt „Das Waisenhaus“ direkt ein Erfolg, der ihm die Türen zu seiner späteren Hollywood-Karriere öffnete. Produziert von Star-Regisseur Guillermo del Toro, der von vielen fälschlicherweise für den Regisseur gehalten wird, besitzt der Film eine erkennbare, eigene Handsprache und vereint bekannte Gruselmerkmale zu einer packenden Geschichte, die einen nicht so leicht wieder loslässt. Mehr dazu in unserer Filmbesprechung.

Die Handlung

Wer will hier wohnen? (Foto: Leonine)

Wer will hier wohnen? (Foto: Leonine)

Laura (Belén Rueda) zieht mit ihrem Mann Carlos (Fernando Cayo) und Adoptivsohn Simón (Roger Príncep) in ein abgelegenes Waisenhaus, in dem sie als Kind eine Zeit lang gewohnt hat und sehr glücklich war. Nun plant sie, das erworbene Anwesen als ein Heim für körperlich und geistig eingeschränkte Kinder neu zu eröffnen.

Doch der kleine Simón macht Laura schnell Sorgen mit seinen Geschichten von unsichtbaren Freunden, die ihn auffordern, das Waisenhaus nie zu verlassen und nie alt zu werden. Einen dieser Freunde nennt Simón Tomas. Es ist seltsamerweise derselbe Name wie ein vor Jahren in der Nähe des Waisenhauses verstorbenes Kind. Laura und Carlos tun dies lediglich als die übergroße Vorstellungskraft eines Kindes ab. Doch es kommt zu Konflikten zwischen Laura und Simón, als er behauptet von seinen neuen Freunden erfahren zu haben, dass er adoptiert und HIV-positiv ist.

Kurz vor der Feier zur Neueröffnung des Waisenhauses kommt es zu einem Streit zwischen Laura und Simón. Als Laura ihn später sucht, wird sie von einem Kind, dessen Kopf mit einem Stoffsack verhüllt ist, angegriffen und im Badezimmer eingesperrt.

Als Laura befreit wird, ist Simón verschwunden und trotz verzweifelter Suche wird er auch nach mehreren Monaten nicht gefunden. Laura ist überzeugt, dass Simóns unsichtbare Freunde ihn entführt haben, und lässt nichts unversucht, um ihren Sohn zu retten.

Filmkritik „Das Waisenhaus“

Ich habe den Schlüssel (Foto: Leonine)

Ich habe den Schlüssel (Foto: Leonine)

Der Film behandelt die Rolle der Mutter und stellt die Frage, wie weit eine Mutter gewillt ist zu gehen, um ihr Kind zu retten. In Horrorfilmen ist das ein immer wieder vorzufindendes Thema. Während Lauras Mann Carlos immer mehr die Hoffnung verliert, dass Simón noch am Leben ist, lässt sich Laura durch nichts vom Gegenteil überzeugen.

Regisseur Bayona nimmt sich nicht nur die Zeit, um Lauras Beziehung zu ihrem Sohn Tiefe zu geben und ihre Trauer und Verzweiflung glaubhaft darzustellen, sondern er nimmt auch seine Figuren ernst. Sie sind nicht nur Schablonen vor gruseligen Kulissen. Durch ihre große Ausdruckskraft gelingt es der Hauptdarstellerin Belén Rueda den Film zu tragen. Dabei funktioniert der Film auch stets als Drama. Besonders das Ende ist sowohl konsequent als auch zugleich tieftraurig.

Natürlich handelt es sich trotzdem um einen waschechten Horrorfilm, der allerdings auf einfache Schreckmomente verzichtet und sich für seine Geschichte die nötige Zeit und Ruhe nimmt. Es gibt zwar zwei verstörend anmutende Bilder körperlicher Verstümmelung, ansonsten gibt es kaum Gewaltszenen im Film. Statt durch stumpfe Schockmomente und brutales Gemetzel drückt sich der wahre Grusel hier in Form von dem, was nicht zu sehen ist, der Imagination sowie dem Aufdecken schauriger und verstörender Geheimnisse, aus.

Das ist Laura (Foto: Leonine)

Das ist Laura (Foto: Leonine)

Visuell wird diese Herangehensweise bereits in der Eröffnungssequenz angedeutet, in der auf einer alten Tapete nacheinander die Schauspielernamen gezeigt werden, die dann von Kinderhänden abgerissen wird, um zu zeigen, was sich hinter ihr verbirgt.

Ohne Zweifel sind die Einflüsse der klassischen Horror- und Geistergeschichten deutlich erkennbar: an den körnigen Bildern und der Farbpalette, die im Verlauf immer dunkler wird und somit zu der schaurigen Atmosphäre des Films beiträgt.
Ein besonderes Highlight sind die Super 8-Aufnahmen, auf die Laura im Verlauf des Films stößt und die vereinzelt im Film gezeigt werden. Durch die Zusammensetzung der schwer erkennbaren, verstörenden Bilder, dem altertümlichen Rauschen des Projektors und dem Wissen der Zuschauenden, was sich hinter den gezeigten Bildern verbirgt, entfaltet sich eine ganz besondere Stimmung, sodass man völlig gebannt ist und den Blick nicht vom Bildschirm abwenden kann.

Simón will kein Versteckenspielen (Foto: Leonine)

Simón will kein Versteckenspielen (Foto: Leonine)

Die visuellen Motive von „Das Waisenhaus“ sind zwar allseits bekannte, wie das alte Anwesen, die Geisterkinder, die langen Gänge des Hauses, doch sie verkommen nie zu Klischees. So gelingt es den Filmemachern jederzeit, diese visuell spannend in Szene zu setzen.

Die Kulisse des Waisenhauses ist dekadent und majestätisch gestaltet. Für die Szenen, die im Inneren des Hauses spielen, wurden die verwinkelten Gänge und geheimen Räume des Waisenhauses für den Dreh in penibler Detailliertheit nachgebaut, was dem Kameramann viel Freiheit in der optischen Gestaltung bot und mehr Kontrolle über das Licht im Film ermöglichte. Es wurde so viel wie möglich auf artifizielles Licht verzichtet, wodurch die Authentizität des Films erhöht wird und die furchterregenden Situationen, in den Laura sich befindet, realer und dadurch noch beängstigender wirken.

Die Versionen

Der Film läuft 105 Minuten und hat eine FSK-16-Freigabe erhalten.

Das Urteil von Horrormagazin.de

„Das Waisenhaus“ kombiniert gekonnt bekannte Horrortraditionen zu einem Film, der möglicherweise nicht revolutionär ist, aber durch sein cleveres Drehbuch, überzeugende Schauspieler und tolle Optik jeden Fan des Genres überzeugen kann. Außerdem lädt er zum wiederholten Anschauen ein, denn es werden viele Details und Anspielungen erst im Nachhinein deutlich.

Bewertung: 5/5 Sterne

Der offizielle Trailer zum Film "Das Waisenhaus"

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Über Martin Brody

Als engagierter Film-Fan interessiert er sich vor allem für psychologisch angehauchte Horrorfilme. Doch auch ein heftiger Splatter-Film ist in der Lage ihn zu fesseln. Nachdem er bereits eine Bachelorarbeit über „Les quatre cents coups“ von Truffaut geschrieben hat, verfasst er auch leidenschaftlich gerne Filmkritiken.
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