Matomo

Bewertung: 5/5 Sterne

Filmkritik It Follows

Wie ein Schatten deiner selbst

Wie sagt man so schön: nichts ist sicher, außer die Steuer und der Tod. Beides sitzt uns unweigerlich im Nacken. Oft versuchen wir es hinauszuzögern oder sogar zu ignorieren. Doch was passiert, wenn der Tod entscheidet eben nicht zu warten und langsam auf dich zu geht? Ganz ohne Deadline und ohne Regeln? David Robert Mitchell schafft es mit „It Follows“ von 2014, die alltägliche Urangst der Verfolgung in einen brillanten Film zu verpacken. Und das in ästhetischer Perfektion.

Die Handlung

Vielleicht kann der Spiegel helfen? (Foto: Leonine)

Vielleicht kann der Spiegel helfen? (Foto: Leonine)

Wir sehen einen gemütlichen Vorort im Morgengrauen. Ein Mädchen in Unterwäsche und Heels rennt auf die Straße, versichert das alles gut ist. Kurz darauf springt sie panisch ins Auto und fährt an einen Strand – die Scheinwerfer vorn, das Meer im Rücken. Unter Tränen ruft sie zitternd ihren Vater an: „Dad, ich hab dich lieb“. Am Morgen danach wird ihre verstümmelte Leiche gefunden.

Das verträumte 19-jährige Collegegirl Jay (Maika Monroe) datet den gutaussehenden Hugh (Jake Weary), über den sie eigentlich nicht viel weiß. Im Kino spielen sie ein Spiel: Wer von den Anwesenden wärst du gern? Als Hugh auf ein Mädchen zeigt, das Jay jedoch nicht sehen kann, wird er nervös. Sie verlassen sofort das Kino und landen in einem Diner. In der Ferne, sichtbar durch ein Fenster, nähert sich langsam eine auffällige Person.

Nach einem romantischen Abend am Strand haben sie schließlich Sex im Auto. Während sie daraufhin gelassen und verträumt über ihre Zukunft spricht, überwältigt sie Hugh mit einer Portion Chloroform. Jay findet sich in einer Baracke gefesselt in einem Rollstuhl wieder. „Du musst dir merken, was ich dir jetzt sage! Dieses Ding wird dir folgen. Jemand hat es mir angehängt und ich habe es jetzt auf dich übertragen.“ Er rollt die halbnackte und verängstigte Jay an den Rand des Gebäudes, wo sich eine fremde Frau langsam, aber zielsicher über ein Bahngleis nähert. „Du kannst es wieder loswerden: Schlaf so schnell wie möglich mit jemanden. Wenn du stirbst, fällt es auf mich zurück.“

Gruppensitzung auf der Wiese (Foto: Leonine)

Gruppensitzung auf der Wiese (Foto: Leonine)

Kurz darauf wirft Hugh sie vor ihrem Haus aus dem Auto. Freunde und Polizei untersuchen den seltsamen Vorfall. Obwohl Jay das Ganze stark mitgenommen hat, besucht sie nach einer kurzen Erholungsphase wieder das College. Im Unterricht schaut sie nichtsahnend aus dem Fenster, als sich eine blasse, alte Frau im Nachthemd langsam über dem Campus auf sie zu bewegt. Nachdem sie panisch aus dem Klassenzimmer rennt, ist „es“ bereits im Gebäude. Doch niemand kann „es“ sehen – außer Jay.

Ein Wettlauf um ihr Leben beginnt, denn „es“ folgt ihr unaufhörlich. Und zwar in ständig wechselnden und grausigen Gestalten. Sie kann sterben, fliehen oder den Fluch durch Sex erneut übertragen. Welche Entscheidung wird sie treffen und vor allem wer wird ihr glauben, um einen Ausweg aus dieser Hölle zu finden?

Filmkritik „It Follows“

Dreh dich nicht um! (Foto: Leonine)

Dreh dich nicht um! (Foto: Leonine)

Man kann es schnell auf den Punkt bringen: „It Follows“ macht aus einer minimalistischen Basis ein Kunstwerk des Horrors. Eine finsterste Urangst der Menschheit wird hier zum Grundthema geformt. Die ständige Verfolgung und die Gewissheit des Todes sind allgegenwärtig. Atmen, essen, schlafen – alles andere wird marginal in der pulsierenden Anspannung angesichts der sich nähernden Bedrohung.

Doch nicht nur das simple und zielsichere Grundthema überzeugt. Auch die spezielle Kameraführung unterstützt die nervenzerrende und paranoide Stimmung perfekt. Schleichende und detaillierte Rundumblicke ziehen ins Geschehen wie ein Magnet und übertragen den Verfolgungswahn auf den Zuschauer. Gleichermaßen ist die Bildästhetik ein Werkzeug, dass hier professionell für optisch kunstvolle Momente sorgt. Symmetrie und Harmonie sind in vielen Szenen eindrucksvoll eingesetzt und unterstreichen den starken Kontrast zwischen Verzweiflung und Schönheit. Atmosphärisch erinnert das Umfeld häufig an Wes Cravens „A Nightmare on Elm Street“ (1984): Teenager in den 80ern, ein mittelständiger Vorort, Einfamilienhäuser, Dunkelheit und das konsequente Ausklammern von erwachsenen Personen unterstreichen die beklemmende Situation der Protagonisten.

Öde Pool-Party (Foto: Leonine)

Öde Pool-Party (Foto: Leonine)

„It Follows“ bedient sich zusätzlich eines gekonnten Sounddesigns, welches jeder einzelnen Szene ein Maximum an Spannung herauskitzelt. Pulsieren, Rauschen, Pochen, Dröhnen – Bässe wurden selten so effektiv genutzt und bilden durch ihren Minimalismus eine wirkungsvolle Verstärkung der intensiven Momente. Der Spirit der 80er Jahre wird unaufdringlich, aber effektiv durch die schneidenden Synthesizer-Melodien von Rich Vreeland, aka Disasterpeace, vollendet. Wenn auch weitaus reduzierter, erinnert das Ganze angenehm an „Stranger Things“ (seit 2016) oder Carpenters „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978).

Bei all der Begeisterung für diese einmalige Independent-Perle darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Geschichte mitunter fundamentale Fragen offen lässt: Wo begann die Kette? Welche Körper nutzt „es“ und warum, und was zur Hölle ist „es“? Doch gerade das Aussparen all dieser Kerninformationen lässt ein Fokussieren auf das Wesentliche zu. Zudem vermeidet es ein Abfallen der Spannung durch unnötige Details und obskure Erklärungen, was schon vielen potenten Horrorfilmen das Genick brach.

Die Versionen

Höchste Zeit aus dem Wasser zu steigen (Foto: Leonine)

Höchste Zeit aus dem Wasser zu steigen (Foto: Leonine)

In Deutschland wurde dieser 100-minütige Horrorthriller durch die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) auf eine Altersempfehlung von 12 eingestuft. Das legt die Vermutung nahe, dass die Bewertung am Tag nach der dortigen Weihnachtsfeier erfolgte. Signifikante Szenen von Verstümmelung, Gewalt und der punktiert inszenierten allgegenwärtigen Todesangst wurden schlichtweg als kinderfreundlich erklärt. Ein FSK-16-Siegel ist hier mehr als empfehlenswert. Hinweis: Die aktuelle Version von 2018 trägt überraschenderweise das blaue Siegel auf dem Cover.

Das Urteil von Horrormagazin.de

„It Follows“ ist  ein kleines Meisterwerk und nach gerade acht Jahren schon ein Klassiker mit großer Fangemeinde! David Robert Mitchell überzeugt hier nicht nur als Regisseur, sondern auch mit eigenem Drehbuch: Ein nachdenklich und sensibel gezeichnetes Gemälde über die Urangst der ständigen Verfolgung. Mit viel Liebe zum Detail ist hier ein psychischer Höllenritt entstanden, der in seiner speziellen Schönheit so schnell kein Pendant finden wird.

Bewertung: 5/5 Sterne

Der offizielle Trailer zum Film "It Follows"

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Über Mallory Knox

Schon von klein auf kitzelte Mallory Knox das künstlerisch Spezielle. Filme hatten dabei immer einen besonderen Stellenwert. Nicht zuletzt durch die Ästhetik Cronenbergs verfiel sie dem Genre restlos und gibt jetzt schreibwütig ihren Senf dazu.
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