Beim Mystery-Thriller „It lives Inside“ muss eine indisch-amerikanische Teenagerin ihre kulturelle Identität mit sich selbst vereinbaren, um einen hungrigen Dämon aufzuhalten.
Inhaltsverzeichnis
Die Handlung
Samhida (Megan Suri) lebt mit ihrer konservativen Mutter Poorna (Neeru Bajwa) und ihrem Vater als indisch-amerikanische Teenagerin in einem kleinen Vorort. Da sie wie alle anderen weißen Teenies um sich herum sein möchte, nennt sie sich nur noch „Sam“ und will in allen Beziehungen Abstand zu ihrer indischen Abstammung gewinnen. Diesen Abstand nimmt sie somit aber nicht nur zu ihrer traditionsbewussten Mutter, sondern auch ihrer einst besten Freundin Tamira (Mohana Krishan). Tamira ist ebenfalls die Tochter indischer Eltern und gilt in der High-School als Außenseiterin.
Eines Tages steht Tamira mit einem mysteriösen Einmachglas vor Sam und bittet sie um Hilfe. In dem Glas soll ein hungriges Wesen leben, das Tamira quält. Aus Angst, mit ihrer ehemaligen Freundin gesehen zu werden, zerstört Sam das Glas – und setzt damit die Entität frei. Als Tamira spurlos verschwindet, folgt Sam den Spuren des Dämons, die zurück in die indische Folklore führen. Während sie sich mit der Kultur ihrer Familie auseinandersetzen muss, die sie eigentlich hinter sich lassen wollte und versucht Tamira zu finden, hat es der Dämon nun auf sie abgesehen. Fortan wird Sam von dem unsichtbaren Wesen heimgesucht, das sie isolieren und auffressen will…
Filmkritik „It lives Inside“
Das Interesse an Horrorfilmen abseits der westlichen Kultur ist in den letzten Jahren zum Glück stetig gestiegen. Erfolgreiche Filme wie „Train to Busan“ (2016) von Yeon Sang-ho oder „Sputnik“ (2020) von Jegor Abramenko zeigen, dass das Horrorgenre für eine Vielfalt an Kulturen und Geschichten groß genug ist. Da passt es, dass Regisseur und Drehbuchautor Bishal Dutta selbst indischer Abstammung ist. Dutta nutzt seinen kulturellen Hintergrund, um „It lives Inside“ und sein Monster im Hindu-Spiritualismus anzusiedeln und Fragen der Identität und des Glaubens zu stellen. Was auf dem Papier grandios klingt, verliert während des Films leider an Wirkungskraft.
Durch Samhidas nachvollziehbarer Identitätssuche und dem Rassismus, der ihr jeden Tag begegnet – sei es unterschwelliger oder offensichtlicher Rassismus – fühlt sich der Film anfänglich sehr nah und persönlich an. Vor allem die Momente mit ihrer entfremdeten Mutter und ehemaligen besten Freundin sorgen für einen emotionalen Auftakt, der an die Hoffnungslosigkeit von „Hereditary – Das Vermächtnis“ (2018) erinnert.
Auch das Wesen, von dem man am Anfang nur weiß, dass es rohes Fleisch will und schon einige Menschenleben auf dem Konto verbucht hat, verspricht vieles. Vor allem, weil wir vermutlich wenig von den Monstern der indischen Folklore wissen. Der Dämon, ein „Pishach“, spielt mit seinen Opfern, bevor es sie frisst und treibt sie durch Lauern und Albträume in den Wahnsinn. Das Tolle an der Entität ist, dass man sie bis zum letzten Drittel nicht sieht. Nur durch das Schauspiel der Geplagten weiß man von dessen Anwesenheit. Als das Antlitz des „Pishachs“ offenbart wird, verpufft auch noch die letzte Spannung, die der Film bis dorthin gehalten hat.
Sams Konflikt, der repräsentativ für viele Erfahrungen von Teenagern mit kultureller Identitätskrise spricht, wird zum Ende hin eher nebensächlich und kann scheinbar durch die plumpe Hilfe eines indischen Gebets gelöst werden. Auch die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter wird dadurch gelöst, dass Sam sie (endlich!) um Hilfe bittet. Endlich deswegen, weil ihre Mutter, die besser als alle anderen über die Folklore ihrer Herkunft Bescheid wissen sollte, als allerletzte Instanz miteinbezogen wird. Warum erstmal die nette, aber fremde Vertrauenslehrerin fragen, die nichts von der indischen Kultur weiß, wenn die eigene Familie direkt nebenan ist?
Die Kritik klingt in den letzten Sätzen sehr harsch, aber der Film hat viel Potenzial. „It lives Inside“ hätte mehr Laufzeit gutgetan, damit Sam intensiver in die kulturell-spezifische Geschichte hätten eintauchen können. Leider geht so ein Großteil an Originalität verloren.
Hätte, hätte… Letzten Endes hat sich „It lives Inside“ in Horrorfilm-Klischees verloren, die man mit mehr Selbstbewusstsein hätte umfahren können. Von offensichtlichen Jump-Scares über die ausgelutschte Suche nach einem Ritual, um den „Pishach“ wieder einzufangen, bis zu einer unnötigen Wiederholung am Ende, war alles dabei. Gleichzeitig muss man an die schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten applaudieren, auch wenn ihre Charaktere über die Zeit sehr eindimensional werden.
Was der Film allerdings toll macht: Er schafft Interesse. Auch wenn man einiges hätte ausarbeiten können, bietet der Film einen soliden Eintrag in die wichtige Auseinandersetzung mit nicht westlich-zentrierten Geschichten und Kulturen. „It lives Inside“ schafft einer unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppe mehr Platz und zeigt das enorme Potenzial von Regisseur und Drehbuchautor Bishal Dutta, der anfänglich die Menschlichkeit einer Immigrantengeschichte mit den mysteriösen Legenden der indischen Kultur auf tolle Art verknüpft. Bis zu seinem nächsten Projekt, das hoffentlich einer ähnlich brillanten Symbiose folgt, kann man „It lives Inside“ beim nächsten Horrorfilmabend dennoch toll genießen, solange man sich nicht fragt, was hätte sein können.
Die Versionen
Die aktuelle Kinofassung von „It lives Inside“ läuft kompakte 99 Minuten, die man auch auf der Blu-Ray findet. Der Film erhielt aufgrund seiner Horrorelemente eine FSK-Freigabe ab 16. Ungeschnitten.
Das Urteil von Horrormagazin.de
„It lives Inside“ überzeugt vor allem mit seinem Potenzial und den Darsteller:innen, aber im letzten Drittel zerbricht der Film leider doch an den Konventionen des Genres.
Der offizielle Trailer zum Film "It lives Inside"
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