Das Walross – mit 3,5 Metern Länge und knackigen 1200 Kilo ein wahrlich imposantes Raubtier der kalten Meere des Nordens. Doch hier ist nicht etwa das stoßzähnige Monstrum der Killer. „Tusk“ schickt uns durch ein schizoides Horror-Rodeo, dass fast auf philosophische Art das Verhältnis zwischen Mensch und Tier durch den Fleischwolf dreht. „Misery“ trifft auf „Human Centipede“ – klingt gut? Das dachte sich auch „Silent Bob“ Kevin Smith.
Inhaltsverzeichnis
Die Handlung
Wallace (Justin Long) und sein Kumpel Teddy (Haley Joel Osment) betreiben einen albernen Kuriositäten-Podcast namens „Not-See-Party“ (Aussprache: „Na-zi-Party“) in dem sie mit Vorliebe skurrile Menschen verbal ausschlachten. Das Highlight des Tages: Kill Bill Kid – eine Anspielung auf den realen „Star Wars Kid“, der sich in einem Youtube-Video in einer wenig anmutigen Performance versehentlich mit einem Katana-Schwert das Bein abschlägt.
Für ein Interview mit dem einbeinigen Säbelfreund fliegt Wallace kurz darauf von L.A. in die Prärieprovinz Manitoba, Kanada. Leider ist im Moment seiner Ankunft nur noch ein Rollstuhl mit Trauerkranz auffindbar. Die zerstörenden Kritiken trieben das Kill Bill Kid in den Suicid. „Konnte er nicht zwei Tage warten, dieser selbstsüchtige Wixer?“ Genervt stürmt Wallace die nächste Kaffkneipe, um seinen Frust zu ersaufen. Über dem Pissoir entdeckt er den verheißungsvollen Aushang eines alten Seemannes: „A life of adventures with stories to tell.“ Sofort wittert er eine neue Freakshow und bricht auf.
Rückblenden geben Einblick in den verkorksten Charakter unseres Unsympathen Wallace: gescheiterter Stand-up Comedian und notorischer Fremdgeher. Seine verletzte Freundin Ally (Génesis Rodríguez) wird von seinem besten Freund Teddy etwas zu intensiv getröstet. Gegenwärtig erreicht er nun das abgelegene herrschaftliche Haus von Howard Howe (Micheal Parks). Bei einem Tee, umringt von reichlich geschichtsträchtigem Interieur, berichtet der alte Mann von seiner abenteuerlichen Vergangenheit als Schiffbrüchiger. Ein Walross rettete damals sein Leben. Er taufte es Mr. Tusk – „Gottes nobelste Kreatur“. Kurz darauf stürzt Wallace bewusstlos zu Boden.
Gefesselt an einen Rollstuhl kommt er zu Bewusstsein. Ironischerweise fehlt auch ihm jetzt ein Bein. Howard rechtfertigt die Ohnmacht und Amputation mit einen Spinnenbiss. Doch schnell wird klar, dass Wallace kein Gast sondern das Opfer eines Psychopathen ist. Wallace gelingt es in Todesangst, eine Mailboxnachricht an Teddy und seine Freundin zu senden. Noch bevor Howard sein krankes Ziel offenbart: aus einem Menschen ein Walross zu erschaffen.
Ab hier ist die Aufwärmphase eindeutig vorbei und ein Bild des Grauens umgibt den mittlerweile vollends verstümmelten Wallace. Hautfetzen sowie verstörende anatomische Zeichnungen hängen an den Wänden im Keller des Hauses. Körperteile stecken wie Cocktailschrimps in Eiskübeln, während Howard mit Freude und Gelassenheit sein Werk vollendet. Von Möwenschreien und klassischer Musik begleitet, findet sich der chirurgisch völlig mutierte Wallace schließlich in einem kümmerlichen Käfig wieder. Howard ist zutiefst gerührt: „Ich hab dich vermisst Mr. Tusk.“
Unterdessen, alarmiert durch die Mailboxnachricht, sind Teddy und Ally verzweifelt auf der Suche nach ihrem Freund. Da die Polizei ihre Hilfe verweigert, geraten sie auf Umwegen an den leicht sonderlichen und promilleverstärkten Privatdetektiv Guy Lapointe (Johnny Depp). Schon seit Jahren jagt er den „Menschenmetzger“ Howard Howe und verfolgt seine Spur aus verstümmelten Leichenteilen. Doch was wird von Wallace noch übrig sein, wenn ihre Suche ein Ende findet?
Filmkritik „Tusk (2014)“
Fragwürdige Experimente am Menschen sind seit jeher ein fruchtbarer Boden für einen Horrorfilm. Motivation und Resultat sind dabei so verschieden, wie die Qualität der Filme selbst. Wie schon bei dem Genre-Klassiker „Human Centipede“ (2009) von Tom Six wird den Versuchsobjekten wenig Mitbestimmung eingeräumt, während ein hoch intelligenter, jedoch maximal geistig umnachteter Verstand seine blutigen Visionen verwirklicht.
Wie kommt nun Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Kevin Smith, bekannt durch „Dogma“ (1999), „Clerks“ (ab 1994) und „Zack and Miri Make a Porno“ (2008) in diese speziellen Gefilde? Man weiß es nicht. Tatsache ist jedoch, dass Können, Irrsinn und ein gewisser Mangel an Ernsthaftigkeit einen absolut sehenswertes Creature-Psycho-Horror-Perlchen geschaffen haben.
Die Besetzung ist größtenteils dem Vitamin B wie Buddy zu verdanken. Und das ist durchweg überzeugend. Justin Long („Drag me to Hell“, „Jeepers Creepers“) und Michael Parks („From Dusk Till Dawn“, „Kill Bill“, „Django Unchained“) füllen ihre Rollen souverän. Ebenso Haley Joel Osment („Sixth Sense“, „A.I.“) liefert überzeugend ab. Johnny Depp konnte als starker Cameo rekrutiert werden und spielt auf charmante Weise seine Paraderolle, auch wenn er dem Filmfluss damit etwas aus dem Konzept bringt. Aber hey, schlüssige Konzepte sollte man im Horrorgenre nicht überbewerten, insbesondere nicht bei Kevin Smith.
Die Versionen
Tusk liefert uns in 101 Minuten eine wirklich einmalig schaurige Mensch-Walross-Metamorphose. Die Altersfreigabe ist bei entspannten 16 Jahren anberaumt, da der Hauptteil der chirurgischen Handwerkskunst nicht gezeigt wird. Dennoch genügen die expliziten Momentaufnahmen, um die Phantasie ordentlich anzupeitschen. Das Resultat ist optisch sowie psychisch herrlich verstörend.
Das Urteil von Horrormagazin.de
„Tusk“ überzeugt durch eine subtile Portion Identitätskrise, die wunderbar zwischen unangenehmen Schockmomenten und leicht pubertärem Humor wechselt. Dabei ist die Geschichte zwar nicht in Blut getränkt, dennoch schockierend genug für eine Triggerwarnung. Damit liefert Smith einen Horror abseits des Mainstreams mit vielen Schwächen. Dennoch überzeugt am Ende das Gesamtpaket. Eine absolute „Must-See-Party“ für stabile Humoristen mit Freude an Experimenten!
Der offizielle Trailer zum Film "Tusk (2014)"
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