Eigentlich ist es viel zu spät für einen echten Nachruf. Denn Wesley Earl „Wes“ Craven, einer der wenigen echten Genre-Filmer aus dem Horrorfilm-Geschäft, ist schon am 30. August 2015 gestorben. Nicht im Schlaf durch einen Alptraum, nicht zerschlitzt durch einen Typen mit gruseliger Maske. Nein, wirklich hässlich und hinterhältig durch einen Hirntumor.
Über sein Leben ist an vielen Stellen genug geschrieben worden. Zum Beispiel in der „Bild“, die ihn natürlich – vielleicht diesmal nicht ganz übertrieben – Kult-Regisseur nennt, oder auf „Spiegel-Online“ mit einem dicken Dankeschön für die Alpträume. Und auch ich habe keinen Zweifel daran, dass uns ein wichtiger Wegbereiter des modernen Horrorfilms verlassen hat.
Deshalb wird es an dieser Stelle persönlich, denn mich erinnern vier ganz bestimmte Erlebnisse an Craven. Beim ersten bin ich ein pickeliger Jugendlicher. Es ist kurz nach der Wende, mein Freund Matthias hat einen dieser neumodischen Videorekorder zu Hause (natürlich nur geliehen). Darauf läuft eine der Fortsetzungen von „A Nightmare on Elm Street“. Das Bild ist verwaschen, im Dunkeln ist so gut wie nichts zu erkennen, oben flimmert eine ständige Bildstörung am Rand entlang. Doch dann: Freddy Krueger zieht sich die Haut samt Knochen vom Kopf, sodass sein Gehirn brachliegt. Das Bild brennt sich in meine Netzhaut ein. Meine Güte, ist das aufregend.
Das zweite Erlebnis habe ich 1996 im Kino, als ich den brandneuen Horrorfilm „Scream“ sehe. So einen sauspannenden, blutigen und trotzdem angenehm ironischen Horrorkracher habe ich lange nicht mehr gesehen. Mag er heute hier und da als läppisch verlacht werden, dann sage ich: Seht einfach noch einmal hin. Allein die Eröffnungsszene mit Drew Barrymore ist ein hochspannendes Genre-Highlight.
Das dritte Erlebnis ist eine einzige Enttäuschung. Ich habe mir in den Nullerjahren die DVD-Box von „Elm Street“ gekauft und will endlich einmal den legendären ersten Teil ungeschnitten sehen. Ich bin entsetzt, wie piefig, muffig und schlecht abgehangen der Film ist. Freddy taucht kaum auf, und die Achtziger-Jahre-Optik gibt dem Heuler den Rest. Was für ein Griff ins Klo. Dabei war die Box nicht billig.
Das vierte Erlebnis rehabilitiert den Film. Ich lege ihn einige Jahre später wieder ein und sehe ihn noch einmal. Und diesmal offenbar richtig. Jetzt kann ich die darin verpackte Nachricht, das enthaltene Gesellschaftsbild viel besser erkennen. Hatte ich mich beim ersten Mal an Äußerlichkeiten aufgehalten, ist dieser Schock nun durch, und die Botschaft kann kommen. Der Film ist nämlich eine bitterböse Metapher auf das Verhältnis zwischen Jugendlichen und Erwachsenen in den USA der Achtziger. Ganz klar.
In meinem Schrank steht außerdem eine DVD von Cravens Schocker „Shocker“ aus dem Jahr 1989. Vielleicht sogar ein Vorbote der heutigen Cyber-Horrorfilme. Schließlich reist der Killer ja auch durch ein öffentliches Netz, damals allerdings noch das aus Energie. War Craven ein Visionär? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall konnte er Zeitgeist einfangen und sehr spannend verpacken. Eine gute Gelegenheit, das mal wieder mit ein paar seiner Filme nachzuprüfen.